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Neoliberalismus – Fatale Folgen II – Der Fluch der Pädagogik

Der Neoliberalismus ist im Kern die Ideologie der Flexibilisierung. Denn wenn jede Bindung, jeder Mensch und alle Dinge jederzeit in Windeseile aufgelöst werden und neu kombiniert werden können, dann ist das für die Wirtschaft optimal. So entstand die Just-In-Time Lieferung mit der Autobahn als Zwischenlager, so entstanden Zeitarbeitsverträge, so entstand auch die Sucht nach der Immer-Alles-Sofort-Verfügbarkeit via Amazon.

Natürlich müsste man begleitend zur Flexibilisierung die technischen Systeme anpassen: den Güterverkehr auf die Schiene oder auf die Flüsse und Kanäle bringen, den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, Arbeit und Wohnen wieder näher zusammenbringen, die digitale Infrastruktur ausbauen um analoge Prozesse digital zu lösen. Sie merken es schon: das wären nebenbei gesagt auch sehr wirksame und handfeste Maßnahmen, die Treibhausemmissionen signifikant zu reduzieren. Doch das KOSTET GELD.

Ebenso kostet es Geld (und Hirn), die Systeme in Behörden, Institutionen und Betrieben gleichzeitig flexibel und robust zu gestalten, um menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Menschen manipulieren spart Geld

Wesentlich günstiger ist es, stattdessen am Menschen rumzufummeln. Der Mitarbeiter soll seine familiären Bindungen zu Gunsten seiner ortsungebundenen Verfügbarkeit auflösen, er soll an sich arbeiten, bestenfalls lebenslang lernen (was für eine schreckliche Drohung), er soll teamfähig und kritikfähig sein (360-Grad-Feedback vernichtet Selbstachtung und Würde), er soll an seiner Performance arbeiten und sich professionellen Coachings ergeben, die geschickt fragend jedes Problem an den Mitarbeiter redelegieren. „Wenn Du ein Problem hast, dann ist das Dein Problem.“

Diese Manipulationsmaschinerie wird befeuert von dem überbordenden Berufsstand der Erzieher und Pädagogen, die professionell das Lied ihrer Herren anstimmen und von Selbstermächtigung, Resilienz, der Stärke schwacher Bindungen, von Patchwork-Biografien und Living-apart-together Lebensmodellen faseln, über Work-Life-Balance und Quality Time schwadronieren und alles über Kinder wissen (gerade, wenn sie keine Kinder haben) und dass Kinder stärker werden, wenn sie früh Verlusterfahrungen machen, z.B. die arbeitende Mutter vermissen und statt dessen hin- und hergeschubst werden zwischen KiTa und Tagesmutter und dort betreut werden von pädagogischem Personal mit Liebesersatz-Dienstleistungen.

Wer seine Instinkte negiert, findet Anerkennung

Und die Mitarbeiter? Sie ergeben sich zwischen Verwirrung und Ratlosigkeit leise seufzend den Heilsversprechen der modernen Welt. Das instinktiv schlechte Gewissen wird kognitiv überlagert. „Das sind ja schließlich Profis und so viele Möglichkeiten – z.B. Chinesisch in der KiTa – können wir unseren Kindern nicht bieten“. Das Resultat? Die Eltern können mental und emotional sediert ihre Zeit für die Arbeit im Betrieb aufwenden, sie erhalten neben Geld auch gesellschaftliche Anerkennung und die Kindererziehung ist outgesourct.

Der perfekte Mitarbeiter ist flexibel und verfügbar und damit ein reibungslos funktionierender Baustein, der je nach Lage der Dinge flugs verschoben werden kann. Tja, und wenn der Mitarbeiter damit unglücklich ist? Das ist sein Problem (siehe oben) doch die Knechte des Neoliberalismus – die Pädagogen und Erzieher – werden ihm schon helfen, an sich zu arbeiten.

Ja, das ist bitter, doch wo ist der Ausweg?

Meine Empfehlungen für Arbeitgeber

Beenden Sie den neoliberalen pädagogischen Manipulationswahnsinn. Sofort. Bringen Sie die klügsten Köpfe Ihres Unternehmens zusammen, um menschenfreundliche Systeme zu schaffen. Es macht keinen Sinn, an den Menschen rumzufummeln. Nicht die Menschen sind schlecht (zumindest die meisten), sondern schlechte Systeme begünstigen schlechtes Verhalten.

Meine Empfehlungen insbesondere für jungen Menschen

Achten Sie auf Ihr Gefühl. Was ist Ihnen wirklich wichtig? Wofür lohnt es sich, sich richtig ins Zeug zu legen? Wo sind Ihre Kraftquellen? Werden Sie hellhörig, wenn Ihnen abstrakte Versprechen gemacht werden. Hüten Sie sich vor professionellen Methoden, die Ihnen Glück versprechen. Weisen Sie Ratgeber zurück, die Ihnen ungefragt in Ihren Lebensentwurf reinquatschen.

Sehen Sie sich genau die Vita Ihres Ratgebers an. Entscheidend ist nicht, was jemand sagt. Entscheidend ist, wie er lebt. Und dann entscheiden Sie, ob Sie diesen Rat annehmen wollen. Und weisen Sie entschieden übergriffige Kritik zurück, die ihre Probleme mit der Welt (mit Ihrem Betrieb) in ein Problem Ihrer falschen Einstellung verwandeln.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ (Theodor W. Adorno). Das gilt auch für falsche nationalökonomische Systeme und falsche betriebliche Systeme.

Herzlich willkommen im Club der klaren Denker und kraftvollen Macher,

Ihr Stefan Theßenvitz