Voodoo ist immer dann, wenn magische Kräfte walten sollen. Wenn höhere – überirdische oder außerirdische Mächte angerufen werden, um bedrohliche oder verderbliche Entwicklungen für uns Menschen abgewendet oder zum Besseren gewendet werden sollen. Deshalb brachten Menschen Opfer für eine gute Ernte, sie hopsten singend über Feuerstellen für Regen oder errichten (bis heute) Flughafen-Tower aus Bambus in der Hoffnung auf Konservenregen aus Eisenvögeln.
Voodoo ist ein bisschen wie Homöopathie. Wirkt es, dann ist alles gut und wir fahren mit dem Hopsen fort. Wirkt es nicht, dann haben wir eben nicht genug gehopst oder nicht fest genug an die Wirkung des Hopsens geglaubt oder zu spät mit dem Hopsen begonnen oder wir haben einen Verräter unter uns Hopsenden.
In meinen jungen Jahren verbrachte ich viele Ferien in Italien und es war immer wunderbar. Das Wetter, die Lebensfreude, der Cappuccino, der Vino, das Meer, der Reichtum an Kulturschätzen und überhaupt diese Leichtigkeit, dieser Charme und die laute Lebensfreude der Menschen. Doch ich blieb stets „deutsch“ und sah auch die schnell rostenden Autos, die knatternden Mopeds, die stinkenden Abwasserkanäle, die morschen Häuser mit ihren schiefen Wänden und Fensterläden mit der Wäsche draußen, die vielen Menschen mit kaputten Zähnen und die Zufälligkeit der Pünktlichkeit – eben all das, was ich als „nicht-deutsch“ empfand. Da war ich ehrlich gesagt immer ein wenig stolz auf „mein“ Deutschland, diese prachtvoll funktionierende Ingenieurnation und einen Johann Sebastian Bach hatten wir auch!
Im Frühjahr 2020 machte sich das Corona-Virus auf der Welt breit und wir alle waren geschockt. Keiner wusste, was zu tun ist und sicherheitshalber blieben die Menschen zu Hause, meist freiwillig. Im Sommer dann wurde das Leben wieder flockiger und ich dachte mir, jetzt bekommen wir das in den Griff, der zweiten Welle werden wir trotzen! Unsere Politiker, Wissenschaftler und Mediziner tüfteln jetzt einen unserem großartigen Land – eine weltweit führende Industrienation – angemessenen Plan aus und dann zeigen wir es der Welt und dem Virus.
Ich malte mir den Herbst und Winter 2020 ungefähr so aus: In den Schulen sind leistungsfähige Lüftungsanlagen und Luftfilter installiert, wir haben flächendeckend erstklassige digitale Lernangebote zur Verfügung – von der Grundschule bis zur Universität, der öffentliche Personen-Nahverkehr verdichtet seinen Takt auf zwei bis fünf Minuten und die Bahn auf 15 Minuten, damit die Reisenden genug Platz haben. Der Arbeitsplatz findet für die Pandemiezeit wo möglich seinen Weg ins Home-Office, wir bauen zehn Krankenhäuser mit jeweils 1.000 Intensivbetten, die wir vermutlich nicht selbst brauchen und europaweit zur Verfügung stellen können.
Wir haben eine Menge bestens geschulter und bezahlter Pfleger*innen und Ärzt*innen und natürlich haben wir haufenweise Kapazität für die Kinderbetreuung, wo nötig. Unsere Altenheime und Pflegeheime sind auf beste hygienische Standards hin getrimmt und die Hygienekonzepte dort sind so ausgefeilt, dass Besuche jederzeit möglich sind. Natürlich gibt es an jeder Ecke für jedermann und jede Frau schmerzfreie Schnelltests mit verlässlichen Ergebnissen.
Natürlich bleiben die Restaurants, Cafés, Bars, Kneipen, Clubs und vor allem die kleinen inhabergeführten Geschäfte offen, denn auch sie setzen die Hygienekonzepte sorgfältig um, natürlich finden weiterhin Konzerte mit Zuhörern und Fußballspiele mit Zuschauern statt, einfach weil wir es technisch und logistisch können. Und die Menschen lieben es und machen gerne mit.
Merken Sie was? Pustekuchen! Nichts, Nada, Niente, Zero, Null ist passiert. Keine Strategie, kein Konzept, kein Plan, keine Idee. Na gut, dass mit der Bazooka war schon Klasse, allein der Name ist schon beeindruckend.
Und so langsam keimt in mir ein Verdacht: Wir haben all das nicht umgesetzt, weil wir es nicht können. Wir haben es verlernt, gute Ingenieurlösungen zu entwickeln. Wir bekommen die Pandemie nicht mit technischen und logistischen Lösungen in den Griff. Bleibt noch der Mensch, den kann man verängstigen, manipulieren, schurigeln, in seine Schranken weisen und als Schuldigen brandmarken.
Die dargebotenen Lösungen empfinde ich als demütigend und erbärmlich. Kinder sollen sich in der Schule warm anziehen und ab und zu in die Hände klatschen und hopsen, so die Bundeskanzlerin. Wir sollen nicht mehr aus dem Haus gehen, außer zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Arzt und zum Fresh-Air-Snapping Alone. Die Politik betet das Mantra vor: Menschen treffen ist böse, Alleinsein ist brav. Das ist der Griff in das Herz des Mensch-Seins.
Die Kinder mussten eigentlich nur in die Schule, damit deren Betreuung, respektive die Arbeitsfähigkeit der Eltern gewährleistet werden konnte. Genauso sagte es der Söder, Markus. Und die Polizei klingelt jetzt an der jeder Haus- und Wohnungstür und linst in die gute Stube, wer sich da so alles versammelt hat? Wie soll das funktionieren, bitte?
Die jetzt beschlossenen Maßnahmen sind nur mit der Aushebelung fundamentaler Grundrechte der Bürger*innen kontrollierbar. Was in Deutschland passiert ist Corona-Voodoo. Wir verstärken unsere Anstrengungen in den Bereichen, die bisher auch nicht funktioniert haben. Die Psychologie hat dafür einen Begriff: Neurotisches Verhalten. Wenn der Irrsinn nicht bald ein Ende findet, dann wird die Pandemie den Beginn eines neurotischen, hypernervösen Zeitalters einläuten, in dem die zutiefst verunsicherten und vereinzelten Menschen zur Church of Science beten. Ich flehe jetzt schon um Erlösung: Lasst uns technische und medizinische Lösungen finden statt Corona-Voodoo-Gehopse.
Stefan Theßenvitz
Wiesentheid, 16. Dezember 2020