Schlagwort: Wissen

Bildung für ein Leben aus eigener Kraft

In einer offenen Gesellschaft wird es immer Menschen geben, die mehr haben und verdienen als andere. Das ist in Ordnung, wenn es fair zugeht. Die Unterschiede in den Vermögen sind kein Armutsgrund, die Unterschiede in den Einkommen schon. Wer mehr arbeitet, soll mehr bekommen. Wer weniger arbeiten will, soll das tun.

Wer mehr und länger lernt, wer seine Jugend, wer die Ferien und Wochenenden für die Entwicklung seines Wissens und seiner Fähigkeiten nutzt, soll davon profitieren. Wer beruflich verwertbares Wissen und Können erwirbt, wird ökonomisch bessergestellt sein als jemand, der sich den schönen Künsten oder den Geisteswissenschaften hingibt.

Wer als arbeitsfähige Person nicht arbeitet – auch keine Arbeit für die Gemeinschaft erbringt – bekommt nichts von der Gemeinschaft. Auch das ist ein Merkmal einer offenen Gesellschaft.

Betrachtet man Armut einzig aus der Perspektive der monetären Armut, wird man auf Deutschland bezogen zu keinen guten Antworten kommen. Armut umfasst auch die emotionale Armut, die seelische Armut, die geistige Armut und die Bildungsarmut. Um der Armut zu entkommen, braucht man die Kraft, die Möglichkeit und die Zeit, diese zu überwinden.

Gerade die Situation der Armut in armen Ländern zwingt die dort von Armut betroffenen Menschen, sich dieser täglich mit aller Kraft entgegenzustellen. Sie haben weder die Zeit noch die Möglichkeiten, der Armut zu entkommen. Deshalb ist die Überwindung der Armut weltweit betrachtet eine mehrdimensionale Aufgabe.

Die Dauerfinanzierung der Armut in Deutschland, die im Gegensatz zu anderen Ländern nicht existenzbedrohend ist, führt oftmals zu dem entwürdigenden Gefühl der von Armut Betroffenen, überflüssig und nutzlos zu sein, anderen zur Last zu fallen und von der Gemeinschaft ausgeschlossen zu sein. Diese Dauerabhängigkeit erzeugt mitnichten Dankbarkeit, sie erzeugt eine innere Lähmung und Wut gegen sich selbst und das System, die sich meist im persönlichen Lebensstil und häufig gegen die „herrschende Ordnung und Politik“ richtet. Armut zerstört und polarisiert.

Die Lebenshaltungskosten für Wohnung, Lebensmittel und die notwendige Ausstattung mit Medien für soziale Teilhabe sind nicht die Ursache für Armut, sie erhöhen das Risiko für Armut. Wenn das Budget nur für Wohnung und Essen reicht, dann wird jede Zusatzausgabe zum Armutsrisiko.

Wesentliche Einflussfaktoren auf dauerhafte, systemische Armutslagen sind die Bildung und die Sprache. Das wird deutlich durch die manifesten Armutslagen bei Niedrigqualifizierten und einem erheblichen Anteil an Migranten, denen ihre Qualifikationen ohne deutsche Sprachkenntnisse nichts nützen.

Transferleistungen lindern die Symptome der Armut, doch sie lösen das Problem nicht. Auch die Umverteilung von Vermögenswerten weg von den Reichen hin zu den Armen lösen das Problem nicht. Armut in Deutschland resultiert in erster Linie aus der Bildungsarmut. Aus ihr entsteht im Wesentlichen auch die Kinderarmut und die Altersarmut.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz

Sprache und Bildung schützen gegen Armut

Sprache, Bildung und Arbeit sind verbindende Merkmale jeder Kultur. Diese Merkmale folgen dem Prinzip der Selbstwirksamkeit. Die eigene Leistung, der eigene Beitrag, sein Leben zu meistern stehen immer vor der Unterstützung durch die Gemeinschaft. Die Gemeinschaft stellt die Infrastruktur für Sprache und Bildung zur Verfügung – Lehrkräfte, Ausbilder und Ausstattung in Schulen, Ausbildungsbetrieben, in Akademien, in Hochschulen und Universitäten. Damit kommen die Gesellschaft und der Staat ihren Verpflichtungen nach, einen wirksamen Schutz vor existenziellen Lebensrisiken zu bieten. Sprache und Bildung sind ein wirksamer Schutz gegen Armut.

Der Erwerb von Sprache beginnt ab der Geburt. In vielen Familien lernen die Kinder nur unzureichend Deutsch. Die Ursachen finden sich in der Sprachkompetenz der Eltern, im Umgang mit der Peer-Group und im Medienkonsum. Diese erworbenen manifesten Defizite werden in den KiTas nur selten geheilt, je nach Überlastung des Personals und der Gruppenzusammensetzung der Kinder vertiefen sich die Defizite und mit dieser geübten defizitären Normalität scheitern die Kinder ab der ersten Klasse.

Denn Sprache ist der Schlüssel für Bildung. Auch in den Schulen können innerhalb eines Klassenverbandes diese Defizite nur selten geheilt werden. Entweder sinkt das Bildungsniveau in der Klasse mit der damit zusammenhängenden Benachteiligung der bildungsfähigen Kinder oder die bildungsunfähigen Kinder empfinden die Bildungsschere als persönliche Zurücksetzung mit den Folgen der Ablehnung, Verweigerung und Wut.

Jedes Kind muss vor Eintritt in die erste Klasse über die für den Bildungserwerb notwendige Sprachkompetenz verfügen und diese, wenn notwendig, ab der KiTa auch außerhalb des Elternhauses erwerben. Auch die Eltern mit unzureichenden Deutschkenntnissen unterliegen der Verpflichtung, ihre Deutschkenntnisse mit Bildungsangeboten auf ein akzeptables Niveau zu heben. Eltern spielen die entscheidende Rolle als Vorbilder für ihre Kinder. Die Regel gilt für alle in Deutschland lebenden Menschen. Nur wer die Sprache beherrscht, verfügt über die Grundlage Zusammenhänge zu verstehen und in Freiheit ein eigenverantwortliches, nachhaltiges Leben zu führen.

Neben den Bürgerrechten auf Sprache und Bildung treten die Bürgerpflichten, für sich selbst zu sorgen und die Möglichkeiten des Erwerbs von Sprache und Bildung aktiv zu nutzen. Alle Bildungsangebote von der Grundschule bis zu Studienabschluss, von der Berufsschule bis zur Meisterprüfung sind kostenfrei. Die Kosten für die Bildung trägt die Gemeinschaft.

Wem die Mittel für den Lebensunterhalt während der Bildungsphasen fehlen, erhält zinslose Kredite. Diese werden im Zuge der Erwerbstätigkeit in vertretbaren Raten zurückbezahlt. Diese Regel gilt für alle in Deutschland lebenden Menschen. Sie dient in erster Linie dazu, jedem Lernenden die Würde zu geben, sein Leben mit Hilfe der Gemeinschaft selbst zu entwickeln und durch seine Rückzahlung der Gemeinschaft – die damit auch die seine wird – die Möglichkeit zu geben, wiederum anderen Menschen zu helfen. Daraus entsteht ein Gefühl der Wirksamkeit und wenn das Wort nicht so unpopulär wäre, auch der Stolz, etwas mit eigener Kraft zu schaffen und anderen seine helfende Hand reichen zu können.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz

Das glückliche Atom | Reloaded

Ich bin seit 20 Jahren in Sachen Unternehmensberatung unterwegs und durfte viele Unternehmen und Institutionen von innen kennenlernen. In den letzten Jahren hat sich viel verändert. Der Blickwinkel auf Unternehmen ist ein anderer. Unternehmen müssen heute neben ihrer Geschäftstätigkeit immer auch nachhaltig sein (dazu gleich mehr), 100% transparent sein, ihre Mitarbeiter optimieren, sich permanent verändern und politischen Forderungen entsprechen, die Gesellschaft zu formen (z.B. Frauenquoten, Cultural Diversity). Dabei hat sich die zentrale Aufgabe von Unternehmen nicht verändert: sie kombinieren Produktionsfaktoren für Produkte und Dienstleistungen und damit generieren sie Wertschöpfung.

Nachhaltigkeit ist ein Wirtschaftsprinzip

Der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz formulierte 1713 das forstwirtschaftliche Prinzip, nach dem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann. Dieser Gedanke deckt sich mit dem den Grundlagen jeder guten Hauswirtschaft (Ökonomie = die Bewirtschaftung des Hauses | Oikos = das Haus). Plane vernünftig, handle umsichtig, verschwende nichts, lege ausreichende Vorräte an. Nachhaltiges Handeln ist nicht mehr und nicht weniger als ein Wirtschaftsprinzip. Jede weitere Überformung der Nachhaltigkeit ist Ideologie.

Frage immer, wem es nützt. | Cui Bono?

Die Ursprünge dieser Entwicklung reichen zurück bis in die 1930Jahre, als Elton Majo im Rahmen der Hawthorne-Studien begann, Verfahren zur Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen im Betrieb zu entwickeln. Die Befragten waren nahezu ausschließlich Frauen, die in Fabriken als Arbeiterinnen beschäftigt waren. Das Ziel war die Stärkung der Verbundenheit mit dem Arbeitgeber (statt mit der Gewerkschaft). Das sog. Human Resource Management nahm hier seinen Anfang, das den Mitarbeiter als etwas dauerhaft zu Entwickelndes begreift.

Weich ist Hart

In den 1970er Jahren untersuchten federführend Tom Peters und Robert H. Waterman jr. viele Unternehmen, um die entscheidenden Faktoren für dauerhaften Erfolg zu finden. In ihrem berühmten Buch „In The Search Of Excellence“ beschrieben sie diese auf der Grundlage des 7-S-Modells, auch das Glückliche Atom genannt. Es besteht aus den harten Faktoren Strategy, Structure, System (das kalte Dreieck) und den weichen Faktoren Skills, Staff, Style, Shared Values (das warme Viereck).

Das große Missverständnis

Der Satz „Weich ist hart“ ist zum geflügelten Wort geworden und damit wurde ein gründliches Missverständnis in die Welt gesetzt. Die Annahme geht davon aus, dass die weichen Faktoren Skills, Staff, Style, Shared Values (Fähigkeiten, Mitarbeiter, Kultur, Leitbild) die eigentlich harten = entscheidenden = Erfolg bringenden seien und aus diesem Grund müsse man ständig damit laborieren.

Herausgekommen ist ein übergriffiges, distanzloses und entwürdigendes Management, das die Menschen zu 360-Grad-Feedbacks zwingt, ihnen für alle Seiten peinliche Mitarbeitergespräche aufnötigt, Jahreszielvereinbarungen aus ihnen herauspresst, pausenlos die Anforderungen nach oben schraubt (der unternehmerisch denkende Mitarbeiter – der, wenn er unternehmerisch begabt wäre, dort gar nicht arbeiten würde), Authentizität einfordert, Ethik und Gesundheit als Pflichtveranstaltungen einführt, die Verweiblichung der Männer und die Vermännlichung der Frauen als richtiges Verhalten anerkennt, eigenbrötlerische Tüftler in Teamcoachings zwingt und begnadete Kommunikatoren in starre Abläufe zwängt. Kurz: der Mitarbeiter wird als dauerhaft defizitär verstanden.

Die Wirkungen sind katastrophal. Der real existierende Arbeitsalltag wird zunehmend infantilisiert, aus Persönlichkeiten werden Performer, die Sinnhaftigkeit des Tuns geht verloren; ebenso wie die Würde, denn diese ist jederzeit antastbar. Je nach geistiger und körperlicher Verfasstheit der Mitarbeiter versuchen diese über die Belastungsgrenze hinaus auch in ihrer Freizeit (an sich) zu arbeiten, manche leiden an Depressionen, immer mehr nehmen Drogen (vorzugsweise Psychopharmaka), viele reichen die innere Kündigung ein oder werden zunehmend mit der schwammigen Diagnose Burn-Out krankgeschrieben.

Die einfache Lösung

Ja, Weich ist Hart, soweit stimme ich zu und hier bin ganz bei Peters und Waterman: „Die weichen Faktoren sind mindestens ebenso wichtig für das Unternehmen wie die harten Faktoren. Denn eine gute Struktur, die den menschlichen Faktor unberücksichtigt lässt, gibt es nicht.“ Und weiter: „Unsere Ergebnisse waren eine angenehme Überraschung. Deutlicher als zu hoffen gewesen wäre, zeigte die Untersuchung, dass die besonders erfolgreichen Unternehmen sich vor allem in einfachen Grundtugenden unternehmerischen Handelns auszeichneten.“ Aha! Die wesentliche Erkenntnis scheint sich nicht rumgesprochen zu haben.

Die einfachen Grundtugenden unternehmerischen Handelns sind: ein Unternehmen sinnvoll aufbauen und dafür eine gute Struktur schaffen, die Vermittlung der Mission (der Unternehmenszweck) und der Strategie (wie setzen wir unsere Kraft ein), reibungsarme Abläufe und robuste Systeme organisieren, Kapital und Betriebsmittel als Treibstoff.

Das sind die harten Faktoren, und wenn diese die `weichen´ sind, dann sind es genau diese Faktoren, die leicht gestaltbar, veränderbar und optimierbar sind. Es macht keinen Sinn, an den Menschen rumzufummeln. Nicht die Menschen sind schlecht (zumindest die meisten), sondern schlechte Systeme begünstigen schlechtes Verhalten.

Die einfachste Lösung für gutes Verhalten sind gute Systeme. Jedes gute System ist am Kunden ausgerichtet. Es sorgt dafür, dass jeder Mitarbeiter einen unmittelbaren Bezug zum Kunden und damit zur Wirkung seiner Arbeit hat.

Unternehmen sind immer gut beraten, ihre Mitarbeiter im positiven Sinne einfach machen zu lassen. Denn nur darum geht es: gute Produkte und Dienstleistungen für die Kunden. Das funktioniert dauerhaft nur, wenn man seine Mitarbeiter anständig bezahlt und ihrem Tun Sinn und Struktur gibt.

Das glückliche Atom | Reloaded

In den letzten Jahren definierte und extrahierte ich vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen in Unternehmen und Institutionen nach und nach neun miteinander zusammenhängende Felder der Unternehmensgestaltung, die von großem Nutzen für die Analyse und Erkenntnis sind.

Die Metaebene | Nicht oder nur mittelbar beinflussbar

weich-ist-hart-metaebene

  • Geschichte und Selbstverständnis sind aus der Historie gewachsen
  • Werte und Kultur vermitteln die Art und Weise des Miteinanders

Die harten Faktoren | Nur mittelbar beeinflussbar

weich-ist-hart-fuehrung-mitarbeiter-koennen

  • Führung und Management trifft Entscheidungen, gestaltet, und prüft
  • Mitarbeiter und Partner arbeiten in den ihnen anvertrauten Bereichen
  • Wissen und Können werden entweder eingekauft oder entstehen im Unternehmen

Die weichen Faktoren | Unmittelbar beeinflussbar

weich-ist-hart-struktur-system-mission-strategie

  • Abläufe und Systeme schaffen Verlässlichkeit im Handeln
  • Mission und Strategie geben die Richtung vor
  • Kapital und Betriebsmittel sind der Treibstoff
  • Aufbau und Struktur sind die Schlüssel für wirksames Handeln

Um im Bild zu bleiben: Aufbau und die Struktur sind der Atomkern. Der Atomkern ist zwar erheblich kleiner als die Atomhülle (die ihn umkreisenden Elektronen = alle anderen Faktoren), er beherbergt aber mehr als 99,9 Prozent der Masse des gesamten Atoms. Der Atomkern bestimmt durch seine Beschaffenheit die Anzahl der Elektronen, die Struktur der Elektronenhülle und damit die chemischen Eigenschaften des Atoms. Wegen der Äquivalenz von Masse und Energie führt die Bildung des Atomkerns zu einem Massendefekt.

Aufbau und Struktur sind die Schlüssel für wirksames Handeln

weich-ist-aufbau-struktur
Es gibt keinen perfekten Aufbau und keine perfekte Struktur, deshalb gibt es kein perfektes Unternehmen. Wenn wir es geschickt anstellen, arbeitet ein Unternehmen reibungsarm. Und jedes Unternehmen hat chemische Eigenschaften, es verändert die Welt. Ob zum Guten oder Schlechten, das ist immer unsere Entscheidung.

Verwenden wir unsere Kreativität und Energie für den Aufbau und die Struktur eines Unternehmens. Alles andere fügt sich dann mit großer Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit.

Herzlich willkommen im Club der klaren Denker und kraftvollen Macher,

Ihr Stefan Theßenvitz