Exzellente Bildung

Desolat, Niedergang der deutschen Bildung, mangelhaft, Debakel, katastrophal, drastischer Leistungsabfall, Allzeittief, Pisa-Schock, so schlecht wie nie zuvor, Setzen – Sechs, verheerend. Soweit eine Auswahl der Schlagworte aus den Schlagzeilen der deutschen Qualitätspresse nach Veröffentlichung der PISA-Studie am 5. Dezember 2023 über die schulischen Leistungen der halbwüchsigen Schüler in Deutschland in Mathematik, Naturwissenschaften und Deutsch.

Das Bildungsdesaster reicht mittlerweile bis in die Gymnasien hinein. Und sofort war man mit Schuldzuweisungen zur Stelle: die Migrantenquote in den Klassenzimmern, die Ablenkung durch Digital Devices, die Folgen der Corona-Pandemie, mangelhafte Pädagogik, versagende Eltern, unfähige Lehrer, die Veränderungen verhindernde Bürokratie und vermutlich ist an allen Aspekten und Perspektiven etwas dran. Doch den Kern der Misere hat man nicht getroffen.

Als wir 2011 von München nach Leipzig zogen, zogen unsere Kinder mit. Der Jüngere war in München auf einem musischen Gymnasium und erzielte dort manchmal mittlere und meist mäßige Ergebnisse. Freude bereitete ihm die Schule selten. Die Herausforderung in Leipzig war, es gab nur eine passende Schule für die Fortsetzung in dem musischen Schultyp, das war die städtische Thomasschule.

Unser jüngerer Sohn wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen und dann saßen wir der Direktorin gegenüber, die sich alles anhörte und dann das letzte Zeugnis unseres Jüngeren unter die Lupe nahm. Dort standen neben einigen Dreiern vor allem Vierer. Sie ging Fach für Fach und Note für Note durch und fragte jeweils nach der Ursache für die Note. Das war unserem Jüngeren sehr unangenehm und uns ehrlich gesagt auch, denn die Antworten und Begründungen klangen in der Summe schon sehr nach Ausrede und äußeren Umständen, womit ich uns Eltern ganz klar mit einbeziehe.

Mein lieber Bewerber, meinte sie, erhob ihren Blick und ließ diesen auf unserem jüngeren Sohn ruhen. Du weißt, meine Schule gehört zu den besten in Sachsen, unsere Abiturienten legen meist ein Abitur mit der Eins vor dem Komma ab und ich will, dass das so bleibt. Kannst Du dir vorstellen, Deine Ergebnisse binnen eines Jahres in jedem Fach um mindestens zwei Notenstufen anzuheben? Leicht errötend nickte unser jüngerer Sohn und bejahte. Versprichst Du mir das? Ein zweites Ja folgte.

In einer der ersten Schulwochen der Thomasschule sollte es für unseren jüngeren Sohn zu unserer großen Freude auf Klassenfahrt an die Ostsee gehen, so könne er gleich zu Beginn des Schuljahres einen guten Zugang in die Klassengemeinschaft finden.

Unser jüngerer Sohn legte uns ein paar Tage vor Abreise ein Formular zur Unterschrift durch uns beide und ihn vor. Neben dem Kleinkram wie Allergien, Unverträglichkeiten und einer möglichen Medikation enthielt das Formular einen Passus, dass jeder Schüler der Thomasschule ein Repräsentant dieser sei und sich entsprechend in der Öffentlichkeit verhalten werde und dass der Schüler dieses Versprechen bitte mit seiner Unterschrift bekräftigen möge und wir Eltern ebenfalls unser Versprechen, unseren Sohn dahingehend zu instruieren, mit Signatur bestätigen.

Wir lernten damals: Im Zentrum gelingender Bildung steht immer eine verbindliche Vereinbarung der zentralen Akteure – der Schüler, der Eltern und der Lehrkräfte.

So wurde unser jüngerer Sohn ein Thomasschüler, seine Klassenkameraden nahmen den Neuankömmling sympathisch in ihre Gemeinschaft auf, und das Wunder geschah. Seine Leistungen verbesserten sich erheblich und noch viel wichtiger, er ging jeden Tag gerne zur Schule und verließ diese mit seinem Abitur in der Tasche – und einige Freundschaften aus der Schulzeit tragen bis heute.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz