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Offenheit braucht Grenzen

Wir müssen uns von der Mär des multikulturellen Miteinanders verabschieden und Herkunftskulturen nicht per se als gleichgewichtig willkommen heißen. Menschen aus archaischen Herkunftskulturen – gleich ob in Deutschland geborene oder zugezogene Menschen, gleich ob Biodeutsche oder Menschen mit Einwanderungserfahrungen, müssen ihr Verhalten umstandslos den kulturellen Vereinbarungen anpassen, sie müssen sich in Wort und vor allem in Tat integrieren.

Ihr Mindset mag nach und nach hinterhertrollen, entscheidend ist für alle in Deutschland lebenden Menschen ein staatsbürgerlich verträgliches Verhalten. Leider ist das Wort Leitkultur verbrannt, doch in der Sache geht es genau darum – es geht um verbindliche Werte und Verhaltensweisen für ein gutes Leben aller Menschen in Freiheit und Würde.

Bleiben davon abweichende Verhaltensweisen wie Gewalt auf den Straßen, Gewalt gegenüber Polizei, Feuerwehr, Andersgläubigen, anders Liebenden, Ärzten, Sanitätern und Pflegern, Gewalt in Ämtern und Behörden ohne Sanktionen, dann verabschieden wir uns von einem der Gemeinschaft dienlichen Konsens und öffnen autokratischen Fantasien Tür und Tor, die sich aus den Wohnungen hinaus auf die Straße und in den politischen Raum hinein ausbreiten.

Möchte ein aus Amerika stammender Mensch in Deutschland leben, dann muss er auf sein gewohntes Recht in Nevada, seine Waffe öffentlich mit sich herumzutragen, in Deutschland verzichten. Er darf erstmal gar keine Waffe besitzen, geschweige denn führen. Er muss sich dem deutschen Recht folgend ordentlich um eine Waffenbesitzkarte bemühen, und davor stehen erhebliche Hürden. So einfach ist das mit der kulturellen Vereinbarung und dem Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Herkunftskulturen.

Sehr aufgeschlossen zeigt sich jede offene Gesellschaft gegenüber differenzierten Ausdrucksformen der Herkunftskulturen beim Einkaufen, Essen, der Musik, der Kunst, der Literatur und all dem, was das Leben kulturell vielfältig bereichert. Das ist Multikulti nach meinen Geschmack.

Leider verspielen unsere Demokratien zunehmend ihre Legitimation, weil sie sich auch autokratischer Methoden bedienen. Ohne hier ein großes Fass aufzumachen, der weltweit sehr beachtete Sündenfall war die Errichtung des Gefangenenlagers der USA in Guantanamo auf Kuba, wo Menschen ohne Anklage, Rechtsbeistand und der Aussicht auf ein rechtsstaatliches Verfahren teilweise über viele Jahre gefangen gehalten und vorsichtig ausgedrückt grob behandelt wurden.

Das war ein Weckruf für die Autokratien – seht her, wenn es hart auf hart geht, dann handeln Demokratien genauso wie wir. Auch das klägliche Versagen der Europäischen Union in der Flüchtlingsfrage führte bereits zum abertausendfachen Tod im Schlauchboot auf dem Mittelmeer und in den Flüchtlingslagern und Asylbewerberheimen verenden die Hoffnungen auf ein gutes Leben aus eigener Kraft.

Ebenso muss erwähnt werden, dass eine Regierung, die dauerhaft am Willen des Volkes vorbeiregiert, es nicht einbezieht, den Mehrheitswillen ignoriert oder das Volk schlicht nicht fragt, auch ihre demokratische Legitimation verspielt. Unsere Demokratie in Deutschland ist ganz einfach deshalb kein Sehnsuchtsort mehr, nicht weil wir zu viel Demokratie, sondern weil wir zu wenig Demokratie wagen. Der politische Slogan der Alternativlosigkeit in den 2000er Jahren war ebenso schädlich für die Demokratie wie die angekündigte Zeitenwende in den 2020er Jahren.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz

Symbolisches Handeln ändert nichts

Im Januar und Februar 2024 gingen in Deutschland Millionen Menschen auf die Straße, um gegen rechts zu demonstrieren. Am Sonntag, den 11. Februar 2024 fand die veranstalterseitig mit 300.000 gezählten Teilnehmenden bisher größte Demonstration in München statt, damit setzt sich München an die Spitze der Bewegung. Auch mich als Zeitzeuge und bewegten Mitmacher der Friedensbewegung in den 1980er-Jahren des letzten Jahrhunderts freut dieses Engagement und der gute Gemeinschaftsgeist.

Jeder Mensch bei Verstand ist gegen rechts – also gegen faschistische Fantasien jeder Couleur – und in meine Freude mischt sich die Verwunderung, ob man seine Haltung wirklich so demonstrativ zur Schau tragen muss. Letztlich kostet es nichts außer ein wenig Zeit am Sonntag und ob sich etwas ändert, nur weil man gefahrlos allseits akzeptierte und mit wohlwollenden Kanzlerworten betätschelte Plattitüden auf Pappschildern durch die Gegend trägt, hmmm? Das ist symbolisches Handeln, das nichts an den Tatsachen verändern wird.

Die Welt besteht aus Tatsachen und diese Tatsachen erzeugen Wirklichkeit und die Wirklichkeit besteht für die meisten Menschen aus Arbeiten, Häuschen abbezahlen, Einkaufen gehen, Tanken und vielleicht den Sommerurlaub planen. Wenn diese Wirklichkeit durch eigenes Hirn und Hände nicht mehr leistbar ist, dann wachen wir womöglich schneller in einem Land auf, in dem wir weder gut noch gerne leben.

Doch statt zu handeln, flimmern wir uns vor dem Schlafengehen mit TV-Talkshows ins Oberflächenkoma und sehen dem Habeck Robert zu, wie er der Miosga Caren das Sofa vollheult und sich in seiner voll knuffig hilflosen Art in dem flehentlich ersehnten kollektiven Mut zur Quadratur des Kreises verstolpert.

Hier werde ich ein wenig wehmütig in Erinnerung an Willy Brandt, der uns Deutsche am 28. Oktober 1969 ermunterte, mehr Demokratie zu wagen. Und ich werde ein wenig zornig. Wie bitte soll die Quadratur des Kreises gelingen? Diese Metapher steht für eine unlösbare Aufgabe und das sollen wir jetzt wagen – als Gemeinschaft – ernsthaft? Das erzählt mir ein Wirtschaftsminister als Lösung für die anstehenden Aufgaben? Ein Mann, der am 2. Juli 2022 sagte „Ich verdiene super viel Geld – ist das gerechtfertigt oder nicht, keine Ahnung – ich kann es im Moment nicht ausgeben, weil ich den ganzen Tag rumgef…“ das nicht gesagte „ahren werde“ kann man sich denken und die gepanzerte Achtzylinder-Luxuslimousine deutscher Bauart auch, in der er rumgefahren wird.

Nein, nur kein Neid. Ich gönne jedem alles. Doch ja, jeden Euro dieses Gehalts empfinde ich in diesem Fall als ungerechtfertigt und sorry, die Quadratur des Kreises ist schlichter Blödsinn. Mehr Demokratie wagen bedeutet auch, Tatsachen als solche benennen zu dürfen und für konkrete Verbesserungen der eigenen Lebensverhältnisse auf die Straße zu gehen.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz