Der Begriff der nachhaltigen Infrastruktur umfasst die Mobilität, die bezahlbare und saubere Energie, das Leben in nachhaltigen Städten und Gemeinden und die damit verbundenen Innovationen und Investitionen des Bundes, der Länder und Gemeinden. Dazu finden Sie in den beiden bereits vorgelegten Büchern zum nachhaltigen Wirtschaften sehr viel Information. Im Folgenden geht es um eine qualitative Betrachtung wünschenswerter Entwicklungen hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft, die aus eigener Kraft im Wohlstand leben will und für diese Transformation einen politischen Gestaltungswillen braucht.
Sich frei bewegen können, ungebunden sein, selbstbestimmt handeln können, spontan sein, die Nachbarschaft und die Welt erkunden, Menschen besuchen, Reisen können, jederzeit aufbrechen wann, warum und wohin auch immer, sprichwörtlich Neues erfahren, das sind Urbedürfnisse des Menschen. In der individuellen Möglichkeit der Mobilität bemessen sich nicht zuletzt die Freiheitsgrade des Menschen. Dem einen genügt die Wanderung von der Haustür weg, der andere träumt vom anderen Ende der Welt. Oftmals sind auch der Beruf und seine Ausübung mit der Fähigkeit und Möglichkeit verbunden, mobil zu sein.
Der aktuelle Diskurs in Deutschland hat das Auto aufs Korn genommen. Autos verstopfen die Innenstädte, Autobahnen schlagen riesige Schneisen in Landschaften, Autos erzeugen Feinstaub durch den Abrieb der Reifen und Bremsscheiben, die Abgase der Verbrennermotoren stinken und sind giftig, Autos töten und schädigen andere Verkehrsteilnehmer, Autos können gefährlich werden. Das ist alles richtig. Auf der anderen Seite steht das oben beschriebene Verlangen der Menschen nach Mobilität und genau deshalb sind Autos auch für viele Menschen Sehnsuchtsorte, für die sie lange sparen, die sie hegen und pflegen und sehr gerne benutzen.
Nicht zuletzt ist die Automobilindustrie in Deutschland eine Schlüsselindustrie, die ca. fünf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt und vier Prozent der Arbeitnehmer beschäftigt . Mit der Automobilindustrie verbunden sind unzählige mittelständische Betriebe – beispielsweise Spezialmaschinenbau, Komponentenhersteller, Ingenieurbüros, Autohändler, Werkstätten, Tankstellen. Die Arbeitsplätze sind meist hochqualifiziert und entsprechend hoch sind die damit verbundenen Löhne und Gehälter und die daraus resultierenden Einkommenssteuern.
Kurz gesagt, die Automobilindustrie trägt einen großen Anteil zum materiellen Wohlstand in Deutschland bei. Auch die für den Autoverkehr notwendigen Straßen tragen zum Wohlstand bei, weil die Autofahrer auf diesen zur Arbeit fahren, in die Ferien und immer wieder nach Hause, dass Dank der Straßen auch weiter vom Arbeitsort entfernt liegen kann. Wer ein Auto hat, kann bequem am Stadtrand wohnen oder auf dem Land und sich dort von mittelständischen Handwerksbetrieben sein Eigenheim bauen lassen.
Diese drei zusammenwirkenden Faktoren – Straße, Auto, Haus – beschreiben im Wesentlichen das Wohlstandsmodell in Deutschland; mit all den negativen Folgen wie Landschaftsverbrauch, Zersiedelung und Umweltverschmutzung. Ein schlichtes Weiter so ist ein Irrweg, ebenso wie eine pauschale Verteufelung des Autos.
Das private Auto ist ein mächtiger Wohlstandshebel. Die öffentlichen Verkehrsmittel von der Straßenbahn bis zur Bundesbahn sind ein mächtiger Wohlfahrtshebel. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kann jeder Mensch kostengünstig und umweltschonend seine Sehnsuchtsziele ansteuern, sofern diese aus Steuermitteln kofinanziert werden. An dieser Stelle den auf das Jahr 2070 verschobenen Deutschlandtakt der Bahn und ihre aktuelle Verfasstheit mit ätzender Satire zu bewerfen, ist zu billig. Jeder Mensch weiß, so geht das nicht und so wird das auch nichts auf Sicht.
Für den an der Zahl der Fahrgäste bemessenen Erfolg und die gesellschaftliche Akzeptanz öffentlicher Verkehrsmittel bedürfen diese auf Dauer angelegte günstige Preise, die deutlich günstiger sind als Fahrten mit dem privaten Auto. Dazu kommen die Erfolgsfaktoren Verfügbarkeit – öffentliche Verkehrsmittel jederzeit und überall – und ein gepflegter Zustand des rollenden Materials und der Bahnhöfe. Aktuell sind bis auf das Deutschlandticket, das leider nur für den Regional- und Nahverkehr gilt, für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel keine der drei Erfolgsfaktoren Preis, Verfügbarkeit und Annehmlichkeit erfüllt.
Für eine mobile Gesellschaft ist die intelligente Vernetzung der Verkehrsmittel untereinander, vom ICE über das Auto bis zum Fahrrad ein guter Weg, den auch alle Menschen gerne mitgehen würden. In dem Maße, wie Autos mit emissionsfreien Energieträgern – Elektrizität und Wasserstoff aus regenerativen Energiequellen – angetrieben werden, würde sich das Umweltproblem verflüchtigen.
Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/
© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz