Trotz weltweit bestehender großer Defizite zu Gesundheit und Wohlergehen seien zwei positive Zahlen erwähnt. Die Kindersterblichkeit ist weltweit seit dem Jahr 2000 um die Hälfte gesunken und 85 Prozent aller Kinder sind heute gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten geimpft. In Deutschland liegt die durchschnittliche Lebenserwartung mit 81 Jahren deutlich über dem weltweiten Schnitt von 73 Jahren. Allerdings stagniert die Lebenserwartung in Deutschland seit 2012 , das Grenzalter unter den aktuellen Lebensbedingen scheint erreicht. Mit der Alterung der Gesellschaft nehmen natürlich die Alterserkrankungen zu wie Krebs, Demenz und Diabetes.
Entscheidend für unser Anliegen des nachhaltigen Wirtschaftens ist die Betrachtung der Gesundheit anhand der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Gesundheit ist ein Zustand des vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Behinderung. Mehr als jeder zweite Deutsche gilt als chronisch krank. Neben den Herz-Kreislauf-, Krebs- und Muskel- und Skeletterkrankungen fallen die psychischen und neurologischen Störungen ins Auge. Der Anteil der psychischen Erkrankungen am Gesamt wächst seit Jahren beständig an. Laut DGPPN – Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde waren im Jahr 2022 knapp 28 Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen .
Psychische Erkrankungen boomen auch an den Hochschulen. In den 20 Jahren bis 2020 hat sich Anzahl der Studenten – mit mehr als 75 Prozent Frauenanteil im Jahr 2022 – auf über 100.000 verdreifacht. Der Hypothese, inwieweit sich hier ein selbstreferenzielles Geschäftsmodell Bahn bricht, dass sich entlang einer hypersensibilisierten Befindlichkeitsgesellschaft einen eigenen Markt schafft, sei hier nicht weiter auf den Grund gegangen.
Im Zusammenhang mit der unternehmerischen Wirklichkeit haben Gesundheit und Wohlergehen der Mitarbeiter:innen höchste Priorität, der Arbeitsschutz muss neben den körperlichen Verletzungsrisiken und beruflich bedingten körperlichen Erkrankungen auch die mentale, soziale und emotionale Gesundheit umfassen. Denn psychische Erkrankungen sind zu über 17 Prozent der Grund für die betriebliche Arbeitsunfähigkeit. Die DGPPN spricht von 15 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland .
Anbei ein Gedankenspiel: Würden die Unternehmen in Deutschland durch besseren und umfassenderen Arbeitsschutz die Krankheitstage nur um knapp die Hälfte auf fünf Tage je Arbeitnehmer reduzieren – dann stünden sechs zusätzliche Arbeitstage je Mitarbeiter zur Verfügung. Wenn ein Unternehmen den Gegenwert von drei Arbeitstagen in den Gesundheitsschutz investieren würde, blieben ihm drei zusätzliche Arbeitstage für die Wertschöpfung zur Verfügung. Doch das muss sich jedes Unternehmen selbst ausrechnen.
Für Unternehmen, die nach dem Maximalprinzip arbeiten und kurzfristige Optima anstreben wird diese Rechnung nicht aufgehen, insbesondere dann, wenn die Solidargemeinschaft der Beitragszahler in den Krankenkassen die Kosten der Berufskrankheiten trägt. Auch das ist ein Phänomen nicht nachhaltigen Wirtschaftens, hier werden Kosten wo immer möglich externalisiert, um das unternehmerische Ergebnis zu maximieren.
Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/
© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz