Schlagwort: Komplexität

Wirksames Management in der rasenden VUKA-Welt

Vorrede

Wir werden häufig gebeten, im Rahmen unserer Vorträge und Beratungen Strömungen, Trends und Entwicklungen aufzuzeigen, die Hinweise darauf geben, in welche Richtung sich Deutschland entwickeln wird. Unsere Auftraggeber verfolgen mit diesen Erkenntnissen ein klares Interesse. Gibt es verlässlich vorhersagbare Entwicklungen, auf deren Grundlage langfristige Investitionen getätigt werden können?

Die klassische Szenariotechnik funktioniert nicht mehr

Die klassische Szenariotechnik arbeitet neben Entwicklungskorridoren und einem sich darin öffnenden und im Zeitablauf stets größer werdenden Zukunftsraum – je weiter weg die Prognose, desto unsicherer deren Eintritt – mit Störgrößen. Diese Störgrößen werden als selten und unwahrscheinlich aber möglich angenommen. Auf dieser Grundlage entstehen dann B-und C-Pläne für den Fall des Falles. Seit einigen Jahren wird die Zukunftsplanung mit der klassischen Szenariotechnik immer schwieriger.

Wir haben in unserer Arbeit die Szenariotechnik weiterentwickelt, um einen substanziellen Erkenntniswert als Grundlage bedeutender unternehmerischer Entscheidungen zu generieren. Auf der Grundlage von Megatrends und der Verortung in unserem Trendradar mit den Segmenten Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Politik, Gesellschaft, Kultur und Verbraucher gelingen in der Zusammenarbeit mit unseren Auftraggebern gemeinsam erarbeitete Szenarien und die Beschreibung denkbarer Zukünfte. Im Rahmen einer revolvierenden Zielplanung werden die denkbaren Zukünfte regelmäßig angepasst. Hier lesen sie mehr. Zukunft selbstbestimmt gestalten | Trendforschung und Szenarioanalyse

Störgrößen sind die neue Normalität

So nach und nach wird klar, woran das liegt und die Erkenntnis ist so einfach wie weitreichend: die Störgrößen werden häufiger und sie werden wahrscheinlicher. Scharfe Brüche, starke Schwankungen und exponentielle Entwicklungen werden normal. Störgrößen sind die neue Normalität.

Bestätigt wird unsere Wahrnehmung von der ehrwürdigen EFQM – der European Foundation for Quality Management, die seit Jahren eine Fortschreibung ihres EFQM-Modells anstrebt und deren Überlegungen stets von der sich rasch wandelnden Wirklichkeit überholt werden.

Der Wandel aus Sicht der EFQM in Stichpunkten

Die Agilität als Managementprinzip gewinnt an Bedeutung. Agilität umfasst die Entwicklung, die Produktion, den Vertrieb, die Kommunikation und die Organisation. Zentral geht es um Beschleunigung und ein hohes Tempo: die Anpassungsfähigkeit aller Unternehmensteile, der Kunde mit seinen individuellen Bedürfnissen und dessen sofortige Befriedigung steht im Zentrum. Unterstützt wird das agile Unternehmen durch ein wertschätzendes Miteinander aller Mitarbeiter, denn Hierarchien erzeugen Reibung.

Die Wettbewerbsfähigkeit – die Competitiveness – wird zur zentralen Maxime der Unternehmen. Der durchdachte Entwurf eleganter Lösungen mit langer Haltbarkeit für das Unternehmen weicht der Maxime des unmittelbar erreichbaren Unternehmens-Erfolgs.

Die Gegenwart als Planungshorizont

Es geht in den Unternehmen darum, jenseits unmöglicher werdenden tragfähiger Zukunftsentwürfe mit langlebigen Zielen und Strategien vollständig in der Gegenwart zu denken und aus ihr heraus kurzfristige Erfolge zu realisieren. Das unternehmerische Denken und Handeln ist komplett auf das Jetzt gerichtet.

Spannen wir die Leine der Erkenntnis etwas höher und betrachten wir ein paar Entwicklungen in den letzten Jahren:

  • Der Brexit und die Folgen
  • Russlands Interessenspolitik
  • Trump und das neue Amerika
  • Der Terror als Alltagsphänomen
  • Die Auswanderung aus der dritten Welt
  • Manipulierte Nachrichten und FakeNews
  • Der Abschied der Türkei von der Moderne
  • Die neue politische Landschaft in Deutschland
  • Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank
  • Die Digitalisierung der Lebenswelt und der Arbeitswelt
  • Die Europamüdigkeit und die Sehnsucht nach Autonomie in den Regionen

Gemeinsam ist all diesen Entwicklungen: niemand hatte sie auf dem Schirm, die Anfänge passierten „unterhalb des Radars“ und wurden nicht ernst genommen, die Entwicklungen verliefen exponentiell, sie wurden rasch „normal“ und keiner hat eine Lösung – außer, die neue Wirklichkeit zu akzeptieren und mit ihr zu leben.

Willkommen in der VUKA-Welt

VUKA bedeutet volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Unsere Welt ist volatil – von raschen und starken Schwankungen geprägt. Die nahe Zukunft ist nicht prognostizierbar, die Richtungswechsel erfolgen plötzlich. Das Nichtwissen über die Zusammenhänge – die Komplexität der aufeinander einwirkenden Faktoren und deren Entwicklungsdynamiken – und damit der Risiken wächst und damit wächst die Unsicherheit. Aus allem folgt die Zersplitterung der Wirklichkeit in viele Deutungen. Die Wirklichkeit wird ambivalent.

Neue Antworten auf neue Fragen

Mit den vorstehenden Erkenntnissen kann und darf man sich nicht zufrieden geben. Das größte Problem der Gegenwart entsteht daraus, dass alle bisherigen Planungs-und Steuerungs-Systeme in dem festen Vertrauen auf halbwegs stabile Verhältnisse mit seltenen Störereignissen entwickelt wurden. Nimmt man alte Rezepte, so erhält man alte Antworten – auch auf neue Fragen.

Agilität ist nicht nachhaltig

Wir brauchen also neue Rezepte für neue Antworten auf neue Fragen. Und Agilität allein als Lösung kann es nicht sein. Denn eine beständig schneller laufende Welt frisst alles auf, was lebenswert ist und dem menschlichen Maß entspricht. Und jede Geschwindigkeit erreicht irgendwann ihr Limit. Handeln am Limit ist nicht nachhaltig. Agilität ist nicht nachhaltig. Nachhaltigkeit ist das einzige Wirtschaftsprinzip, das dauerhaft funktioniert.

Betrachten wir die Tatsachen, um gute Lösungen zu finden.

Wirtschaftliche Trends

Die Wirtschaftskraft in Deutschland gründet sich auf hunderttausende mittelständische Betriebe, die ihre Wertschöpfungsvorteile im globalen Wettbewerb durch besser ausgebildete Mitarbeiter, bessere Produkte, eine bessere Infrastruktur, eine stabile Rechtsordnung und eine verlässliche Politik erfolgreich ausspielen.

Die Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen fällt im weltweiten Vergleich immer weiter zurück, die öffentliche Infrastruktur erodiert, die Wertschöpfungsvorteile durch die fehlende Digitalisierung entfallen abseits der Boom-Regionen und großen Städte, die Deutschen altern und werden weniger – und damit auch die Arbeitnehmer und die Konsumenten.

Technische Trends

Der größte Wertschöpfungshebel – die Killerapplikation der globalisierten Wirtschaft – ist die digitale Plattformökonomie. Jede funktionierende digitale Wirtschaft speist sich aus vier Quellen: der Möglichkeit, dem Wissen, dem Können und der Haltung.

Deutschland fehlen flächendeckend die Möglichkeiten, allein weil das Netz fehlt. Häufig genug werden in der Provinz leere Rohre verlegt in der Hoffnung, dass irgendwann das schnelle Internet kommt. Die digitale Performance Deutschlands rangiert weltweit auf den hinteren Plätzen, innerhalb Europas performt Deutschland hinter Bulgarien und Rumänien.

Deutschland fehlt das Wissen um die Möglichkeiten der digitalen Plattformökonomie. Es gibt nicht eine ernsthafte Internetlösung, die aus Europa, geschweige denn aus Deutschland kommt. Keine Suchmaschine, keine Social Media Plattform, keine Wissensplattform von Weltformat.

Deutschland fehlt das Können. Während hierzulande leere Rohre in der Pampa versenkt werden, lernen andere Länder täglich dazu und erweitern ihr Wissen und Können. Und wenn in Deutschland endlich die Leitungen liegen, ist der Wissensvorsprung in den anderen Ländern wieder gewachsen.

Deutschland fehlt die Haltung. Die digital-mental Verfasstheit Deutschlands entspricht der von Weißrussland, Österreich, Bosnien-Herzegowina und Moldawien. Probieren Sie es aus und ziehen Sie das gelbe Google-Männchen über die Google-Maps-Ansicht von Europa. Sehen Sie den großen weißen Fleck? Das ist Deutschland. Deutschland ist digital rückständig – vor allem im Kopf. Es sind viele der heute über 50jährigen männlichen Führungskräfte, die für diese Verfasstheit verantwortlich sind.

Gesellschaftliche Trends

Der demographische Wandel ist abseits der knallvollen Großstädte körperlich spürbar. Die Deutschen werden rasch älter und weniger, das Land blutet dreifach aus: weniger Unternehmen, weniger Arbeitnehmer, weniger Wertschöpfung. Die Wertschöpfung konzentriert sich auf die Städte. Dort wachsen den nicht hochqualifizierten Menschen die Lebenshaltungskosten (Eigentum, Miete, Konsumgüter) über den Kopf und auf das Land kann man nicht ausweichen. Die Gründung einer Familie und die Etablierung eines bürgerlichen Lebensentwurfs in stabilen sozialen Netzen werden für viele Menschen immer schwieriger.

Gleichzeitig manifestiert sich in Deutschland mit 20% Anteil am Gesamt eine dauerhaft abgehängte Unterschicht, die in den kommenden Jahren vor allem in den Städten mit den rasch zuwachsenden Migranten, die entgegen den Erwartungen sehr häufig nicht über das notwendige Bildungsniveau für ökonomische und kulturelle Teilhabe verfügen, um staatliche Transferleistungen und Jobs konkurrieren wird (Hartz IV, bezahlbarer Wohnraum, gering qualifizierte Tätigkeiten auf Abruf).

Politische Trends

In den letzten Jahren wurde die politische Landschaft in Deutschland bunter und vielfältiger. Auch die Wählergunst erweist sich als zunehmend sprunghaft und bis zur Schließung der Wahllokale ist der Ausgang einer Wahl kaum kalkulierbar.

Einer der großen Vorteile Deutschlands war die politische Stabilität. Gleich welcher Partei man sich zugeneigt fühlt – die politische Stabilität war der Mutterboden für kontinuierliches Wachstum unter verlässlichen Bedingungen. Es gilt das Gleiche für den Glauben wie die Ökonomie: beides gedeiht nur in ruhigen Gewässern. Paradebeispiele: Bayern und Baden-Württemberg.

Viele Kommunen arbeiten an Konzepten für den atmenden Haushalt. Damit will man sich vorbereiten auf kaum zu prognostizierende Entwicklungen. Das Ziel: man will die Grundsicherung in unsicheren Zeiten sicherstellen. Der Hintergrund dieser Überlegungen: es stehen große Investitionen an.

  • die Infrastruktur – digitale Netze, Schulen, Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Straßen, bezahlbarer Wohnraum
  • exponentiell zunehmende staatliche Transferleistungen für die Grundsicherung rasch wachsender Bevölkerungsgruppen
  • innere Sicherheit (Frühindikatoren: Frauenschutzzelte, GSG 9 in Berlin)
  • jährlich zu erwartende 200.000 Neubürger (vorsichtig geschätzt)
  • das Projekt Europa incl. stark steigender europäischer Verteidigungsausgaben, die durch den wahrscheinlichen Rückzug Amerikas als Weltpolizei notwendig werden
  • der Erhalt des sozialen Friedens und damit der Stabilität des Gemeinwesens

Lösungen für Unternehmen

Anbei ein paar Antworten für Unternehmen aus unserer Sicht. Antworten, mit denen Sie in rasenden Zeiten einen klaren Kopf bewahren, handlungsfähig bleiben und Ihr Unternehmen dauerhaft stabil weiterentwickeln. Die folgenden Antworten ersetzen nicht eine fundierte Unternehmensanalyse und Beratung, doch sie geben Hinweise auf die Richtung.

  • Planen Sie auf Sicht. Investieren Sie in überschaubaren Größenordnungen und in überschaubare Zeiträume. Niemand kann sich gegen Megatrends stemmen (die VUKA-Welt), sie können nur innerhalb dieser ihren eigenen Weg gehen.
  • Wachsen Sie organisch. Vergessen Sie die großen Skalen. Jedes gesunde Unternehmen wächst aus eigener Kraft, Schritt für Schritt.
  • Specken Sie ab – rasch. Alles Überflüssige muss weg. Bauen Sie Entscheidungsstaus ab, erkennen und beseitigen Sie dysfunktionale Managementsysteme, Schaffen Sie Klarheit, Ordnung und Einfachheit.
  • Achten Sie penibel auf Ihren Erfolgsbeitrag. Jeder Mitarbeiter, jede Stunde ist kostbar. Investieren Sie in Innovationen und investieren Sie in Produktivität.
  • Werden Sie unabhängig von Subventionen jeder Art und bauen Sie Schulden ab. So bleiben Sie beweglicher und Sie können freier denken.
  • Verbreitern Sie systematisch die produktive Basis Ihres Unternehmens. Befähigen Sie Ihre Mitarbeiter dazu, produktiv zu sein. Schaffen Sie Systeme, die Produktivität ermöglichen.
  • Bleiben Sie technisch Up-To-Date und nutzen Sie die Chancen des digitalen Wandels, auf der Produktionsseite ebenso wie auf der Kundenseite – von der digital optimierten Produktion bis zum Online-Shop.
  • Kümmern Sie sich um die Ausbildung Ihrer Mitarbeiter. Nur fachlich solide ausgebildete Mitarbeiter sind produktiv und innovativ.
  • Behalten Sie die Kontrolle über Ihr Unternehmen. Schaffen Sie ein System, das Ihnen klar widerspiegelt, was wo passiert. Und wenn etwas beginnt, schiefzulaufen, dann sehen Sie nach und dann kümmern Sie sich. Sofort.

Sie wollen mehr Antworten? Hier lesen Sie mehr: Die Philosophie der Ökonomie

Herzlich willkommen im Club der klaren Denker und kraftvollen Macher,

Ihr Stefan Theßenvitz