Schlagwort: FakeNews

Vertrauen ist wie Porzellan

Ich vermute drei zentrale Störereignisse, die zu einem massiven Vertrauensverlust gegenüber der Politik, den Parteien und schließlich der Demokratie geführt haben.

Die ab dem Jahr 2015 einsetzende und bis in die Gegenwart andauernde in Wellen ablaufende ungeregelte Migration nach Deutschland und die damit verbundene verzerrte mediale Berichterstattung  erzeugten viele Fragen und Ängste in vielen Teilen der Bevölkerung. Der ausbleibende Dialog zwischen den Politikern und den Geängstigten erzeugte viel Unmut, Wut und das Erstarken populistischer Strömungen.

Im Umgang mit der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 mit der Beschneidung der Bürgerrechte und gleichzeitig fehlender wissenschaftlich fundierter Expertise im Zusammenhang mit wiederholt harten obschon wirkungslosen Maßnahmen kroch die Angst vor der Pandemie und der Politik gleichermaßen in die Wohnstuben und die schäumend querdenkende Wut auf die Straßen. In der Pandemie zerbrachen viele Familien, Freundschaften und viel wertvolles Vertrauensporzellan gegenüber der Politik.

Mit dem Beginn des militärisch offen geführten Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 brach sich in Deutschland die Erkenntnis Bahn, dass unser Land dieser Situation relativ hilflos gegenübersteht. Verbunden mit den schockierend schlechten PISA-Ergebnissen im gleichen Jahr begann in Deutschland eine fundamentale Diskussion um seine Zukunftsfähigkeit und man nahm verstärkt wahr, in welch desolatem Gesamtzustand unser Land ist.

All diese Wahrnehmungen über den Zerfall des gesellschaftlichen Miteinanders, der Lösungsfähigkeit der Politik und der öffentlichen Infrastruktur wurden von einer nicht beherrschbaren Masse an interessensgeleitenden FakeNews insbesondere in den digitalen sozialen Netzwerken verstärkt mit dem Ziel, den Gemeinsinn der Bürger zu destabilisieren.

Auch hierbei wäre eine wehrhafte Demokratie gefordert, die im Sinne einer nachhaltigen und stabilen offenen Gesellschaft die ihr zur Verfügung stehenden Waffen einsetzt, um sich und ihre innewohnenden Werte zu schützen.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz

Mehr Argumente wagen

Blicken wir auf die andere Seite des Nudging, auf dessen schattige Seite. Hier erleben wir seit vielen Jahren die Zunahme von FakeNews: aus parawissenschaftlichen Erkenntnissen, präzise verstümmelten Ausschnitten aus Studien oder gleich gefakten Studien, irgendwelchen Autoritäten (gerne im Businessanzug oder im Arztkittel, auch Ökoschlabberlock und unkonventionelle Haartracht erzeugen milieuspezifische Vertrauensvorschüsse!) und deren überhöhter Inszenierung in sozialen Medien wird ein scharfes  Verschwörungsgulasch angerührt – reichlich gewürzt mit Halbwahrheiten aus der Tagespolitik.

Wir wissen ja, ein gutes Gulasch brennt zweimal; FakeNews auch. Die dort angerichteten Bedrohungen führen zu urweltlichen Reflexen: wir bekommen es mit der Angst zu tun. Und wer Angst hat, ist leicht manipulierbar. Wer Angst hat, sehnt sich nach Rettung. Satan sei Dank ist diese in FakeNews immer sofort zur Stelle. In Dreiwort-Sätzen, in Schuldzuweisungen, in Allmachtsphantasien und all dem Endzeit Bling-Bling – natürlich immer mit der Lichtgestalt, die uns ihre gütige Hand reicht. Soweit zur Schattenseite der Magie des Nudging und diese Seite ist ganz furchtbar, denn sie macht die Welt schlechter. Angst ist kein guter Ratgeber und Angst ist kein Argument.

Blicken wir etwas in der Zeit zurück auf – richtig geraten – Corona und die Strategie unserer Bundesregierung zur Bewältigung dieser (so sorry, da war gar keine) – also gut, blicken wir auf die Kommunikation unserer Bundesregierung in der Corona-Pandemie. Mich wunderte stets der grobe Ton, der mir als Bürger regierungsseitig entgegenschlug und die Hochrechnungen und die plastischen Darstellungen des bevorstehenden Massensterbens und dass ich Schuld bin.

Ja ich und deshalb muss ich um 21:00 Uhr ins Bett und wie furchtbar alles immer weiter eskaliert und es gibt nur eine Rettung: Verkriech Dich zu Hause, Lass niemanden rein, und Geh´ nicht raus.

Mir machten diese Nachrichten Angst, ehrlich. Und so wie es aussieht, war das Teil der Kommunikations-Strategie der Bundesregierung. Die Bundesregierung wollte, dass ich Angst habe und sie machte ihre Arbeit gut. Denn die Angst, das Misstrauen, die Unsicherheit waren mitten unter uns und beherrschten den Diskurs. Gehört wurde eigentlich nur noch, wer noch mehr Angst verbreitete. Ich nannte das damals das SKK-Syndrom – SeehoferKerberKölbl. Es war Teil unserer Alltagswirklichkeit.

Ich will hier echt keine Sau durchs Dorf treiben und ich unterstelle wirklich jedem Menschen erstmal gute Absichten, doch das Ergebnis der Kommunikationsarbeit war schon gruselig. Dazu meine Oma: „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.“ Das sagte sie gerne, wenn ich den Vorsatz anstelle der Tat zur Geltung bringen wollte. Den Satz entlieh sie augenzwinkernd George Bernard Shaw.

Jetzt nehmen wir den Vorsatz beim Schopf. Das regierungsseitige Story-Telling mit den erstickenden Menschen vor verschlossenen Krankenhaustüren und den traumatisierten Kindern, deren Oma sterben musste, weil sie sich nicht die Hände gewaschen haben, war Teil einer bewussten Beeinflussung meiner Seele, um einen Worst-Case zu verdeutlichen. Dafür brauchte ich kein Corona, dass mir hier der Atem stockt. Dieses Story-Telling rührte bewusst an unsere Urängste: Ersticken und nicht zu heilende Schuld. Das war das Tor zur Hölle.

Das ist die Schattenseite des Nudging: Ich werde manipuliert, damit ich Angst bekomme, damit ich tue, was man mir sagt. Konnte sich unsere Bundesregierung nicht vorstellen, die Bürger vernünftig und sachlich zu informieren?

Traute man uns Bürgern keine aufgeklärte Haltung zur Realität zu? Ich habe einmal gelernt, dass Kommunikation mehr über den Sender als über den Empfänger offenbart.

Über das emotionale Erschrecken hinaus erkannte ich, dass sich unsere Bundesregierung der gleichen Methoden bediente wie die FakeNews-Branche: Überwältigung, Erregung, Schock, Angst und Misstrauen als Kommunikations-Strategie. Verstehen sie, was sie damit anrichteten? Den kompletten Vertrauensverlust, die Hinwendung zu Bewegungen mit den einfachen Antworten, die Verunmöglichung des differenzierten Diskurses, die Ausgrenzung jedes Menschen, der minimal anders tickt.

Ich sage es jetzt doch: ich vergleiche die Corona-Pandemie mittlerweile mit einem Krieg. Corona war wie eine Neutronenbombe, die in der Atmosphäre gezündet wurde. Die Häuser blieben stehen, doch das Leben starb leise, jeder verstrahlt in seinem Loch. Hiram Johnson, US-amerikanischer Politiker brachte es auf den Punkt: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.“

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz