Schlagwort: Wirtschaftsweise

Im Kindergarten

Achtung! Folgende Polemik ist nicht geeignet für sensible Gemüter, die achtsam jedes Wort wägend sanft einer höheren Erkenntnis entgegenschwingen wollen. Bitte überspringen Sie den Kasten einfach.

Die aktuelle Verfasstheit unserer Gesellschaft empfinde ich als einen Kindergarten voller narzisstischer, egozentrischer und übergriffiger Kinder, die vollständig impulsgetrieben und wild durcheinanderschreiend ihre Spielstube verwüsten. Sie werfen ihr Spielzeug an die Wand, zerren ihren Spielkameraden die Schaufeln und Puppen aus der Hand, beschimpfen ihre Kindergärtnerinnen, reißen deren Haare büschelweise aus und fordern mit wutverzerrten Gesichtern noch mehr Spielzeug. Es reicht nicht. Mehr und immer mehr soll es sein und dennoch wird es nie reichen.

Zarten Hinweisen, es sei bereits mehr als genug, begegnen sie laut aufheulend, man befände sich im schlimmsten Verbotskindergarten der Welt und das Essen wäre auch furchtbar und damit würde man jetzt die Wände beschmieren und die Ungerechtigkeit anprangernde Parolen an die Fassade kleistern und nein, aufräumen würde man auch nicht und aus Protest träte man umstandslos in den Mittagsschlafstreik. Zur Strafe würde man sich einnässen und vollkoten und sich und alle mit einer Schmierinfektion anstecken und abends würde man sich bitterlich bei seinen Eltern beschweren und dann würde man ja sehen, wenn Papa den Rechtsanwalt vorbeischickt.

Umstandslos übernimmt eine Gruppe robuster und empathiearmer Kinder das Kommando im Kindergarten und bildet mit ihren Günstlingen ein auf Korrumpierung und Androhung seelischer und körperlicher Gewalt gegründetes Regime, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Alles Spielzeug der Welt und keine Regeln – außer den eigenen. Man wüsste schon selbst, was Freiheit ist und die Demokratie würde man sich jetzt auch zurückholen. Alles andere ist Bevormundung und wer das nicht so sieht, der hat den Oasch offen. Klingt das nach der Hölle? Ja.

Es wird höchste Zeit, erwachsen zu werden. Zum Erwachsenwerden gehört, Tatsachen zu akzeptieren. Mit unserer bisherigen Wirtschaftsweise zerstören wir die Lebensgrundlagen der Spezies Mensch. In der westlichen Welt leben die meisten Menschen weitgehend in einem überbordenden Wohlstand mit einem Übermaß an Konsumgütern, die wir achtlos herstellen, nutzen und wegwerfen. Global betrachtet plündern wir die Erde an jeder Ecke aus; für unseren kurzfristigen Konsumkick und mit langfristigen Folgen für die Menschen, die dort leben, deren Wirtschaft, Gesellschaft und die sie umgebenden Ökosysteme.

Die Folgekosten unseres Handelns wären – sofern man diese bepreisen würde – so groß, dass sich diese Form des Handelns nicht mehr rechnen würde. Machen wir aber nicht. Stattdessen wird jede Form von angedachter Regulierung, jede Frage nach dem Sinn unseres Tuns – wir brauchen viel Wirtschaftswachstum und billigen Industriestrom –,  jede über Quartalszahlen hinausgehende Perspektive als übergriffige Zumutung diffamiert.

Jede Aufforderung, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, sich gar hie und da zu beschränken wird niedergebrüllt mit dem Schlachtruf Freie Fahrt für freie Bürger. Mit diesem kruden Ideologiegedöns spielen wir all den Playern in die Hände, die ein großes Interesse daran haben, das alte Spiel weiterzuspielen. Unsere kurzfristige, triebhafte Dummheit ist deren langfristiger, strategischer Profit.

Je weniger wir meinen, uns sagen lassen zu müssen, desto kleinteiliger unser Streit in immer kleineren Gruppen wird, desto mehr Energie wird im Gegeneinander verballert, desto weniger Energie bleibt für reflektiertes gemeinsames Handeln. Am Ende sind wir alle willfährige Konsumwürstchen mit ach so wichtigen Haltungen, wir sind saftlose Systemlinge.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz

Lost in Abstraktistan

Eigentlich lässt es sich für die Nachhaltigkeit ganz gut an seit dem Jahr 2022. Die fossile Energie ist teuer, die regenerative Energie nicht minder, es fehlen Fachkräfte hinten und vorne, die hohen Preise für Material und Rohstoffe führen zu weniger Verbrauch. Das wären eigentlich gute Voraussetzungen für den Einstieg in eine nachhaltige, ausbeutungsfreie Wirtschaftsweise und eine Ära der klugen Innovationen in Wissenschaft und Wirtschaft. Denn Knappheit führt zur Achtsamkeit. Knappheit ist die Voraussetzung für Kreativität.

In der Überwindung der Knappheit finden wir den stärksten Handlungsimpuls der Menschen. Alle Menschen, deren Großeltern die Nachkriegsjahre nach 1945 in Deutschland bewusst erlebt haben, kennen das aus eigenen Erzählungen in ihren Familien. Lebensmittel werden bis zum Schluss verbraucht.

Bei uns daheim gab es immer montags ein Essen aus Resten der letzten Woche, Papier wurde eng und doppelseitig beschrieben, Strümpfe wurden gestopft, auf Triangeln in Hosen kamen Flicken, die jüngeren Geschwister trugen die Kleidung der Älteren auf, in den Deckenleuchtern brannte außer an Festtagen nur eine Glühbirne und so weiter.

Aus dieser Knappheit – und dem Verlangen, mit harter Arbeit die Gräuel des zweiten Weltkrieges hinter sich zu lassen – entstand das Wirtschaftswunder.

Ein Schlaglicht auf den Sommer 2023: Die Übergabe eines Holzschwertes, eines Speers, eines Fischernetzes und eines Rindenschälers durch die deutsche Außenministerin (Grüne)  an einen Aborigine-Stamm in Australien scheitert an einem defekten Airbus. 160 über Abu Dhabi in die Luft geblasene Tonnen Kerosin später kehrt sie unverrichteter Dinge heim, die deutsche Außenministerin. Gleichzeitig wirbt der Wirtschaftsminister (ebenfalls Grüne) für einen deutlich reduzierten Industriestrompreis und gerät sich damit sowohl in die Wolle mit dem amtierenden Kanzler (SPD) als auch mit seinem Kollegen aus dem Finanzministerium (FDP). Dieser wirbt für ein Wachstums-Chancen-Gesetz. Der sich vor Salz im Essen fürchtende Gesundheitsminister indes schafft Fakten mit dem Cannabisgesetz.

Was dieses Schlaglicht jenseits meines mir zur Verfügung stehenden Verständnisses und meiner mangelnden Vorstellungskraft mir unerreichbarer Einsichten in höhere Zusammenhänge unserer Politik auf jeden Fall klar ausleuchtet: Niemand will das alte Spiel verlassen. Die eine gefällt sich im bedeutungsvollen und irgendwie auch übergriffig überheblichem gönnerhaften Gestus „Ich bring es Dir, Dein Holzschwert. Nimm es hin. Es und ich flogen zu Dir – im Vogel aus Stahl von weit weit weg nach hier.“

Der andere will mit aus Steuermitteln subventioniertem Strom das alte Geschäftsmodell der Ausbeutung am Laufen halten „Nehmet hin den billig Strom. Ich denke und lenke und ihr fahret fort in eurem Thun.“ Der dritte im Bunde verordnet Wachstumchancen per Gesetz „Vernehmet und frohlocket. Ich bring es auf euch nieder. Vom Berg herab das Wachstum, ihr frisch hinan zu den Chancen. Und jetzt hopp hopp.“ Na, dann bauen wir uns doch den Homegrown an und lallen sanft sabbernd mit weichen Lippen nach einer Tüte oder zwei „Gebenedeit sei eure Weisheit, die uns herrliche Dröhnung verspricht.“ Im Klangfarbenrausch des sedierten Bewusstseins breitet sich ein großes Egal aus. „Legal, aber …“

Die Politik, scheint es, lebt in anderen Sphären. In dunkler Stunde schwant mir, klare Erhabenheit im Denken, Tatkraft, Sinnhaftigkeit und Konsistenz im schlüssigen, den Anforderungen der Zeit geschuldetem Handeln sehen anders aus.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz