Schlagwort: Altersvorsorge

Lecker Nudging für bessere Entscheidungen

Nicht wirklich im Licht der Öffentlichkeit arbeitet die Bundesregierung beginnend mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel seit 2015 mit dem Konzept des liberalen Paternalismus – dem Nudging. In der Politik setzte sich diese Methoden der Beeinflussung von Menschen konsequent durch – auf der Grundlage der Erkenntnis, dass Menschen nur bedingt rational handeln. Richard Thaler entwickelte das Konzept des Nudging für die politische Ebene, subkutane Anreize für gewünschtes Verhalten setzen, das ohne kognitive Reflexion auskommt. In Großbritannien und USA sind Nudges (kleine Stupser) feste Bestandteile des politischen Handelns. In Deutschland wurde das Nudging von den Grünen im Bundestagswahlkampf erstmals 2013 – und damals erfolglos – eingesetzt (Veggie-Day).

Kritiker nennen es den Nanny-Staat, der seine Bürger zunehmend gängelt. Dennoch: Nudging als gesellschaftliche Vereinbarung gewinnt zunehmend unter den Mainstream-Milieus Akzeptanz. Nudging entlastet das Denken und begünstigt gute Entscheidungen und solange es guten Zielen folgt, ist es auch in Ordnung: Körpergewicht, Bewegung, Ernährungsverhalten, Steuerehrlichkeit, Fahrverhalten (Tempolimits), Wahl der Transportmittel (CO2-Emissionen), Energie- und Wasserverbrauch, Altersvorsorge und Finanzen sind Felder, auf denen Nudges erfolgreich funktionieren und zunehmend lieb gewonnen werden.

Das Nudging – das Anstupsen basiert auf dem erfolgreichen Therapiemodell der weisen Intervention. Und die Grundpfeiler der weisen Intervention ruhen auf den Überlegungen und Erkenntnissen unter anderem von Paul Watzlawick. Einer seiner berühmtesten Sätze ist: „Wir können nicht nicht kommunizieren.“ Übertragen auf das Nudging können wir sagen: Wir können nicht nicht manipulieren.

Ein paar Beispiele zum Nudging: Sie fahren mit Ihrem Auto auf eine geschlossene Ortschaft zu und sie sehen auf einer Tafel ihre aktuelle Geschwindigkeit. Liegen sie über der erlaubten Geschwindigkeit, dann blinkt es rot oder ein schlechtgelauntes Smiley erscheint, liegen sie mit Ihrer Geschwindigkeit drauf oder drunter der erlaubten Geschwindigkeit, dann blinkt es grün oder das Smiley lächelt. Bei einem Übernachtbesuch bei Freunden stieg ich morgens auf die Waage im Bad der Gastgeber. Statt meines Gewichts in Ziffern erschien auf der Waage der Text „Zu fett!“. Ja, sagte die Gastgeberin, sie hätte die Waage so eingestellt, das würde sie motivieren.

In vielen Kantinen finden Sie mittlerweile die Süßspeisen in der zweiten und dritten Reihe hinter dem Joghurt und dem Obst. Es ist ein wenig anstrengender und unbequemer geworden, an Süßes zu kommen. Der Absatz von Süßspeisen in diesen Kantinen geht signifikant zurück. Der Veggie-Day der Grünen entspross auch dem Nudging, das ging wie bekannt gründlich daneben. Wobei die Botschaft echt gut gemeint war. Esst mehr Obst und Gemüse.

Ein Mehrgeschosser-Neubau in Frankfurt verfügt über vergleichende Mess-Systeme des Energieverbrauchs. Ich kann in meiner Wohnung jederzeit meine Energieperformance mit anderen Wohnungen vergleichen und erfahre schnell mein Ranking und ob ich die Umweltsau oder der Umweltprimus im Haus bin.

Wir halten fest: Nudging entlastet das Denken und begünstigt gute Entscheidungen: Kontrolle des Körpergewichts, mehr Bewegung (Fitness-Apps sind Nudging-Werkzeuge), Ernährungsverhalten, Steuerehrlichkeit (gute Formulare führen zu mehr Steuerehrlichkeit), Fahrverhalten (Tempolimits), Wahl der Transportmittel (CO2-Emissionen), Energie- und Wasserverbrauch, Altersvorsorge und Finanzen. Soweit zur weißen Seite der Magie des Nudging und diese Seite ist auch ganz toll, denn sie macht die Welt besser.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz

Menschenwürdiger Wohlstand

Demokratien funktionieren und gedeihen nur auf der Grundlage eines breit verteilten Wohlstandes innerhalb einer Gesellschaft, deren Mitglieder die reelle Chance haben, ihr Leben aus eigener Kraft zu gestalten. Dazu gehört in erster Linie eine Arbeit, von deren Früchten man leben kann, um damit so schöne Dinge zu unternehmen wie eine Familie gründen, ein eigenes Häuschen ersparen und bewohnen, die Ausbildung der Kinder finanzieren, bei Krankheit zum Arzt gehen, sich einen netten Urlaub leisten, vielleicht ein hübsches Auto gönnen und entspannt dem Rentenalter entgegenblicken.

Es geht darum, ein Leben in Würde ohne fremde Hilfe führen zu können. Dabei ist es gleich, ob ein Staat seinen Bürgern lebenswichtige Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung und Altersvorsorge durch relativ hohe Steuerlasten bereitstellt, wie in Deutschland oder den Menschen viel Eigenverantwortung zutraut bei entsprechend geringeren Steuerlasten wie in der Schweiz oder den USA.

In dem Maße, wie sich eine Gesellschaft ökonomisch spaltet – viele haben fast nichts und wenige haben fast alles – und gleichzeitig die Chancen schwinden, in einem fairen Wettbewerb und mit harter Arbeit dieses Ungleichgewicht zu überwinden, spaltet sich eine Gesellschaft auch politisch. Sie öffnet autokratischen und demagogischen Denkmustern Tür und Tor, Herz und Hirn.

Autokratische Systeme wie China und Saudi-Arabien beweisen gerade, dass breit verteilter Wohlstand auch ohne Demokratie möglich ist, und diese Länder entwickeln sich für Diktaturen aller Art zu Vorbildern, ihre Volkswirtschaften ohne demokratische Teilhabe zu entwickeln. Das ist fatal, denn breit verteilten Wohlstand scheint die Demokratie nicht zu brauchen, die Demokratie hingegen den breit verteilten Wohlstand schon.

Wir nehmen in der industrialisierten westlichen Welt in Amerika und Europa – in den USA, Frankreich, Italien, Schweden, Dänemark, Deutschland und in anderen Ländern der Europäischen Union – zunehmend rechtspopulistische politische Strömungen wahr, die an Zulauf gewinnen und die von Besorgnis getriebene Frage lautet: Warum? Leben wir in Nordamerika und in Europa nicht in der besten aller derzeitigen Welten? Sind hier nicht Wohlstand, Bürgerrechte und Demokratie trefflich zueinander gefügt? Scheinbar nicht, denn unsere Demokratie wird von einer schnell wachsenden Minderheit nicht mehr als schützenswert empfunden.

Die ökonomische Spaltung ist mit Sicherheit ein Grund, andere Gründe finden sich vermutlich in dem Gefühl, nicht mehr gehört zu werden, auch zu vielleicht irrationalen Wahrnehmungen wie der schwindenden kulturellen Identität und in dem Gefühl der dauerhaften Überforderung mit komplexen Informationen, die nicht immer konsistent und faktenbasiert sind.

Vermutlich mündet die Unsicherheit vieler Menschen aus dem wahrgenommenen raschen Wandel unserer Welt in dem Bedürfnis, einfache, überschaubare, im bisherigen Mindset verankerte und akzeptierte Antworten zu erhalten. Doch wie soll man diesem Bedürfnis entsprechen? Vermutlich mit guter Politik, die vernunftgetrieben auf der Grundlage unseres Grundgesetzes und unserer kulturellen Vereinbarungen konkrete Antworten für die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bürger findet.

Der Kapitelüberschrift folgend geht es an dieser Stelle um einen menschenwürdigen Wohlstand. Die Menschenwürde ist ein durchaus schwieriges Wort, versuchen wir es möglichst konkret und versuchen wir es in knappen Stichpunkten für Deutschland: bezahlbarer angemessener Wohnraum, kostenfreie qualitätvolle Bildung und erstklassige medizinische Versorgung, Unverletzlichkeit der Wohnung, rechtsstaatlich saubere Verfahren ohne Ansehen der Person, garantierte Bürgerrechte, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, faire Chancen auf Teilhabe, Leistungsgerechtigkeit – sie merken schon, die Stichpunkte werden schwammiger.

Auszug aus dem Buch: Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Politik | Perspektiven, Spielregeln und Lösungen für eine lebenswerte Zukunft der Spezies Mensch im schönsten Land der Welt – in Deutschland, Stefan Theßenvitz, 248 Seiten, 38 Euro. Im Webshop erhältlich: https://shop.thessenvitz.de/produkt/nachhaltigkeit-in-gesellschaft-und-politik/

© Abbildung erzeugt mit Hilfe von OpenAI, 2024, Stefan Theßenvitz